Was bedeutet Bindung für mich?

Bevor ich selbst Mutter wurde, verstand ich unter Bindung in Symbiose mit meinem Baby zu sein. Ich und mein. Klingt doch wunderbar. 

 

Als ich schwanger wurde, stellte ich mir natürlich die Frage, ob das mit der Bindung einfach so geschehen würde.

 

Tatsächlich, als ich mein Kind im Bauch treten spürte, war da sofort diese erste (Ver)bindung. 

Mit den Oh-so-herzigen Ultraschallbildern konnte ich jedoch sehr wenig anfangen. Ich fand diese überhaupt nicht süss. Ich fragte mich: Werde ich mein Kind von Anfang an lieben? Und was ist, falls nicht?

 

 Bindung zum Kind gelingt nicht, wenn wir als Eltern krampfhaft versuchen alles richtig zu machen.

 Das Leben mit einem Säugling stellt so manches auf den Kopf. Mein Mann und ich haben schnell festgestellt, es braucht Mut zum Chaos, um sich auf das Baby konzentrieren zu können. Für das Neugeborene ist es wichtig, dass es zu Beginn unsere 100% Aufmerksamkeit erhält und wir gemeinsam genügend Zeit für das Bonding haben. Einfach gesagt: Alles liegen lassen und kuscheln!

 

Oft litt ich unter Schlafmangel. Hatte ich zusätzlich einen stressigen Tag, so stiess ich schnell an meine Grenzen. Ich stand nicht mehr in Verbindung zu meinem Sohn und auch nicht zu mir selbst. Ich war genervt. Das mit der Symbiose war dahin. 

 

Damit eine sichere Bindung entstehen kann, ist die Qualität der Beziehung, in die mein Kind eingebunden ist, entscheidend. Wie gehen wir als Eltern miteinander um und was für eine Stimmung herrscht in unserer Familie? 

 

Inzwischen weiss ich, dass nicht nur ich für mein Kind wünschenswert bin, sondern noch andere Personen wichtig sind. Allen voran der Papa, die Grosseltern, Gotti und Götti, etc. 

Bindung ist viel mehr als nur das Wechselspiel zwischen Mutter und Kind. Sie bezieht das ganze soziale System mit ein. Erhalte ich Unterstützung in der Pflege und Erziehung, fühle ich mich besser – es entlastet mich enorm. Das wiederum überträgt sich auf die Beziehung zu meinem Kind. Mein Sohn nimmt keinen Schaden, wenn er von einer guten und vertrauten Bezugsperson für ein paar Stunden übernommen wird. Im Gegenteil, er erfährt weitere positive Beziehungen, Vielfalt in der Erziehung und er lernt, dass er auch ohne mich etwas selbst bewältigen kann. 

 

Eine gelungene Bindung ist also auch Eigenleistung des Kindes. Nur wenn ein Kind eigenständige Erfahrungen machen darf, kann es sich sicher gebunden fühlen. Ein Kind braucht Geborgenheit und Autonomie. 

 

Die Nähe, die mein Kind benötigt, ist genauso wichtig wie seine Freiheit. Dieser ständige Balanceakt ist für mich extrem schwierig. Doch genau das macht Elternschaft und Bindung aus. Es ist ein Prozess und ich stehe da noch ganz am Anfang. 

 

Ich bin mir bewusst, dass sich die Bindung zu meinem Kind im Laufe der Jahre verändern wird. Und das ist okay so. Ich wünsche mir, dass mein Kind weiss, dass es jederzeit zu mir kommen kann. Sollten wir uns einmal weniger oder nicht miteinander verbunden fühlen, möchte ich ihm immer Platz geben für seine Sichtweise, seine Wahrheit und seine eigene Geschichte.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Dieser Text ist in gekürzter Form auch im

Das Schweizer ElternMagazin Fritz & Fränzi ( August 2020) erschienen .