Und, schläft es schon durch?

Die vielen Ratgeber und Blogs lassen erahnen – «Schlafen», beziehungsweise nicht schlafen ist das grosse Thema! 

Dass ich damit konfrontiert werde, wurde mir schon in der Schwangerschaft bewusst. Mir wurde geraten, schon mal vorzuschlafen, «weil die nächsten Jahre kannst du dann nie mehr schlafen und so.» «Haha, ja superlustig,  vor allem, wenn ich jetzt schon im Stundentakt aufs Klo muss...»

Kaum war unser Nachwuchs da, kam die Frage aller Fragen: «Und schläfts schon durch?» «Nö, schläfst Du denn immer durch?» Die Erwartungen sind gesetzt und zwar ziemlich hoch! 

 

Erwachsene durchlaufen in der Nacht einige Male einen Schlafzyklus aus leichtem Schlaf, aus Tiefschlaf und aus Traumschlaf (Rapid Eye Movement). Erwachsene können diese Stadien leichter miteinander verbinden. Babies können dies noch nicht, wodurch sie zwischen den Zyklen manchmal wach sind. Je jünger das Kind, desto kürzer ist sein Tiefschlaf. 

 

Natürlich haben auch wir mit Schlafmangel gekämpft. Ich versuchte, nicht zu erwarten, dass mein Kind durchschläft. Viel wichtiger erschien mir, in den Wachphasen ein zufriedenes Kind zu haben als in der Nacht ein durchschlafendes Kind.

 

Es gab Nächte, da ist mein Kind jede Stunde aufgewacht. Ja, das war hart und mir war oft zum Heulen zumute.

Und doch habe ich es so hingenommen und mein Kind angenommen wie es ist. Schliesslich mussten wir als Eltern ja irgendwie funktionieren und überleben. In dieser Phase hat mich die Kinderärztin mitleidend angeschaut und mir geraten, ich müsse unbedingt mehr schlafen! Tatsächlich muss ich ausgesehen haben wie ein Zombie. Zugegeben, ich fühlte mich auch so. 

Ein Schlafprotokoll wurde mir ausgehändigt mit dem Tipp, am Tag mein Kind öfters zu wecken. Das Schlafprotokoll habe ich zu Hause direkt im Altpapier entsorgt. Versteht mich nicht falsch, wir haben eine kompetente und empathische Kinderärztin und wem ein Schlafprotokoll hilft – na dann, prima! Aber was ist, wenn das Ziel nicht erreicht wird? 

Ich bin nicht die Mutter, die den Schlaf des Kindes protokolliert oder gar bewertet! Mein Kind muss nicht nach irgendwelchen Richtlinien schlafen. Ich sehe Schlafen als etwas sehr Eigenes und Intimes. Keine Nacht ähnelt der anderen. Würde ich den Schlaf meines Kindes protokollieren, stünde eine Methode zwischen mir und meinem Kind. Sobald ich mich auf ein Blatt-Papier fixiere, bin ich nicht mehr in (Ver)bindung, in Beziehung zu meinem Kind. Ich möchte ganz bei uns sein, hier und jetzt.

 

 

Wenn ein Kind durchschläft und es brav ins Bett geht und am besten noch selbst einschläft, ist es ein gutes Kind. Nein, natürlich nicht! Aus evolutionärer Sicht macht es absolut Sinn, im Schutze eines Erwachsenen einzuschlafen. Nicht behütet zu schlafen, hätte früher den sicheren Tod bedeutet. Unsere Kinder wären von einem Bären gefressen oder einer Schlange gebissen worden. Die Brücke zum Schlaf bildet an erster Stelle ein vertrauter Mensch. Kinder brauchen, um den Schlaf zu meistern, eine Zeit lang unsere Hilfe.  Sie wünschen Hautkontakt,  schaukeln, Wärme, Rhythmen und die gewohnte Stimme... Entspannung muss erst geschaffen werden und das funktioniert nur, wenn die Bedürfnisse befriedigt sind.

 

Laufen kann erlernt werden, schlafen jedoch nicht. 

Wenn sich Eltern treffen, ist das Schlafen natürlich Thema Nummer 1.  Selbstständiges Ein-oder Durchschlafen darf aber nicht als Meilenstein der Entwicklung betrachtet werden. Auch erwachsene Menschen schlafen sehr unterschiedlich. 

 

Ein Einschlafrezept gibt es nicht. Unsere Meinungen, wie ein Kind schlafen soll, widerspiegeln auch immer unsere Gesellschaft sowie die eigene Erziehungskultur. Wichtig ist, dass es für die Eltern stimmt. Die Eltern tragen die Verantwortung, dass das Kind genügend und ausreichend schläft. Es bedeutet aber nicht, dass wir unsere Kinder nach einer Schlafmethode trimmen. Auch beim Thema Schlaf können wir uns gleichwürdig begegnen.

 

Wir Eltern kennen die verzweifelten Versuche, endlich vom Bett des Kindes wegzukommen. Schnell mal wird gedroht: «Wenn du nicht sofort einschläfst und mit dem abendlichen Theater aufhörst, dann gibt es keine Gutenachtgeschichte mehr!» Oder «Kinder in deinem Alter sollten alleine (ein)schlafen können».  Solche Sätze sind unpersönlich und kontraproduktiv. Sie beeindrucken die Kinder wenig. 

 

Wenn das Kind nicht schlafen möchte, hilft es, wenn wir den Kindern von unserem eigenen Tag erzählen. Sind wir beim «Abend» angekommen, sagen wir, was wir möchten: Nämlich Ruhe und Zeit für uns. Genau das müssen wir unseren Kindern so kommunizieren. «Ich will jetzt etwas für mich tun. Papa und ich möchten einen Film schauen. Ich verstehe deine Wünsche, aber da wir erwachsen sind, übernehmen wir die Verantwortung und entscheiden, wann du ins Bett gehst.» 

Das sind klare Botschaften und sie sind nicht erniedrigend. Die Wünsche der Kinder sind gleichwürdig, aber sie sind nicht gleichberechtigt. 

 

Vielleicht hat das Kind bereits den ganzen Tag immer wieder mit uns kooperiert. Mitgeholfen, aufgeräumt, Hausaufgaben erledigt, mit der Familie Abendbrot gegessen und dabei versucht nichts zu verschütten, die Jeans und Socken vom Tag ausgezogen und in den Wäschekorb gelegt, die restliche Kleidung wild im Wohnzimmer verstreut und zum Schluss sogar noch eine Pyjamahose ausgewählt. Das sind alles kleine, aber grosse Tasks! Plötzlich kann das Kind nicht mehr, es ist müde. Das mit dem Zähneputzen geht plötzlich nicht mehr und das Pyjamaoberteil bleibt auf dem Boden liegen... Diese Szenarien kennen wohl fast alle Eltern. Ein Machtkampf ist schon vorprogrammiert. 

 

Abends sind auch die Eltern müde und wir verlieren schnell mal die Fassung. Das ist normal. Im Alltag ist es nie leicht, den passenden Weg für sich selbst zu finden. Es ist aber wichtig, das Kind zu sehen und anzuerkennen, was es alles am heutigen Tag geleistet hat. 

Es ist nicht die Aufgabe des Kindes, für sich zu sorgen. Das tun immer die Eltern und kein Schlafprogramm kann uns dies abnehmen. 

 

So kann sich ein Baby nicht verbal, sondern nur durch Weinen äussern. Es einfach schreien zu lassen ist nie eine Lösung. Auch von der «Ferber Methode»,  das Kind zwei, drei Nächte «kontrolliert» schreien zu lassen –  ist dringend abzuraten. Das Baby lernt vielleicht so alleine zu schlafen, es wird dabei aber nicht nur kurzfristig mit Ängsten konfrontiert, es lernt auch aufzugeben. Es lernt dabei vor allem ignoriert zu werden. 

Wo die Machtfrage im Raum steht, sind die Fronten schnell verhärtet. Ist der Schlaf wirklich das Problem des Kindes oder viel mehr von uns Grossen? 

 

Entscheidend ist nicht die Lösung, wie die Kinder besser schlafen oder wie wir Eltern zu mehr Schlaf kommen. Entscheidend ist, dass ein intensiver Kontakt zwischen einander entsteht und die Bedürfnisse der Kinder und Eltern gegenseitig ernst genommen werden. 

 

Und zum Schluss, ja manchmal habe ich nach einer durchzerrten Nacht Augenringe. Doch sind meine Nächte wirklich so schlimm, wie sie mir prophezeit wurden?

Angehende Eltern kann ich eigentlich nur ermutigen: Ihr dürft euch auf wunderbare Nächte freuen! 

Ja, Kinder brauchen uns auch nachts! Als Familie bedeutet das vor allem viele innige Kuschelmomente ...und diese Zeit kehrt nie mehr zurück.

 

Und übrigens, gegen Augenringe und Zombielook hilft roter Lippenstift  - der ist schnell aufgetragen und lenkt etwas vom Gesamteindruck ab! 

 

 

 Text: Katrin Dambach 


 

Bilder aus Kinderbücher

 

1. Der Mondmann - Tomi Ungerer

2. Gute Nacht Gorilla - Peggy Rathmann

3. Wenn der Mond die Sterne zählt... und dem Kind beim Schlafen hilft - Günther Jakobs

4. Wo die wilden Kerle wohnen - Maurice Sendak 

5. Ein Geräusch, wie wenn einer versucht, kein Geräusch zu machen - John Irving & Tatjana Hauptmann